Seit jeher stehen Beratungshäuser ganz oben auf der Wunschliste von Berufseinsteigern, wenn es um die Wahl des ersten Arbeitgebers geht. Aber wie findet man heraus, ob man zu seinem Wunschunternehmen passt? In welche Richtung möchte man gehen? Und was wird
überhaupt von einem in der Branche erwartet? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich Dr. Christa Weßel, Hochschuldozentin für Consulting, Strategisches Management und Wissenschaftliches Arbeiten, in einem Beitrag für junior//consultant.
Berater werden ist nicht schwer, Berater sein …
Consulting ist Beratung. Oder? Im angloamerikanischen Raum ist Consulting ein umfassender Begriff, der auch, aber nicht nur für das Business-Consulting steht, wie im deutschen Sprachraum üblich. Consulting ist eine durch fachliche Expertise ausgezeichnete Beratung mit zahlreichen Spezialgebieten. Viele Wege führen in diesen Beruf, sei es durch eine bereits im Studium entsprechend ausgerichtete Ausbildung oder später im Berufsverlauf.
Anforderungen in der Consultingbranche
Unterstützen Sie gerne andere, ohne unbedingt selbst im Rampenlicht zu stehen? Darunter verstehe ich gute Beratung. Mein erster Coach in einer großen Unternehmensberatung hat mir viele gute Sätze mit auf den Weg gegeben. Der erste lautete: Ein guter Berater macht sich überflüssig. Soll heißen: Sie bringen anderen bei, was Sie wissen. Sie sorgen dafür, dass ein Klient lernt, lernen kann und später ohne Ihre Beratung das Thema weiter zu bearbeiten vermag.
Können Sie den Wald vor lauter Bäumen sehen? Können Sie Abstand halten, Muster erkennen und dann wieder ins Detail einsteigen? Klienten holen uns Berater genau deshalb, weil ein bestimmtes Thema nicht zu ihren Kernkompetenzen gehört, wie beispielsweise die Implementierung einer neuen Software in einem Dienstleistungsunternehmen (Bank, Krankenhaus, Wetterdienst und ähnliche). Oder er braucht Anregungen, zum Beispiel bezüglich der internen Fortbildung, der Personalrekrutierung oder einem internen Konflikt.
Sind Sie Einzelgänger und teamfähig? Der Coach, von dem bereits die Sprache war, hat mir auch folgendes nahegebracht: Wir müssen und dürfen immer wieder Teil von Teams werden, wir werden meist als Externe wahrgenommen und wir müssen immer wieder gehen.
Können Sie mit Druck und Ängsten umgehen, die andere in Ihrer Umgebung ausstrahlen? Denn oftmals fürchten Menschen in einem Unternehmen um Einflussbereiche oder gar Arbeitsplätze, wenn eine externe Beratungsfirma involviert ist. Diesen Druck und diese Ängste, auch die Angst vor Neuem, bekommen Sie zu spüren. Jeden Tag. Mehr oder – eher – weniger offensichtlich.
Worauf Sie achten sollten
„Passt die Firma zu mir?“ Diese Frage sollten Sie ohne größere Einschränkungen mit „Ja“ beantworten können. Dreh- und Angelpunkt ist dabei etwas, das wir in unserem Kulturkreis nicht immer an die große Glocke hängen: Werte, Regeln und ethische Standards einer Firma. Wenn Sie ein Studium mit einem betriebswirtschaftlichen Anteil absolvieren, können Sie es schon. Wenn Sie aus einem anderen Bereich kommen, lernen Sie es jetzt: Machen Sie eine Organisationsanalyse, in der Sie danach schauen, welches die Geschäftsbereiche und -ziele des Unternehmens sind, wie es seine Mitarbeiter fordert und fördert und wie erfolgreich es ist.
Außerdem untersuchen Sie, wofür dieses Unternehmen steht: Was sind seine Werte, Regeln und ethische Standards? Und dann gehen Sie spazieren und beantworten sich die Frage: Passen wir zusammen? Falls nicht so ganz, können Sie sich auch noch fragen: Könnte ich trotzdem dort arbeiten? Wenn ja, warum, wie und wie lange? Im Internet und in meinem Buch finden Sie Hinweise dazu, wie Sie eine solche Unternehmens- und Kulturanalyse durchführen können. Kurz gesagt: Webauftritt ansehen, Geschäftsberichte lesen und vielleicht kennen Sie sogar jemanden, der Erfahrungen in oder mit diesem Unternehmen gemacht hat.
Was Sie mitbringen sollten
„Dass unsere Kandidaten in ihrem Fach fit sind, davon gehen wir aus. Wir schauen, ob sie zu uns passen, in unser Unternehmen, zu unserer Philosophie, in unser Team.“ Worte eines Topmanagers einer der großen Unternehmensberatungen. Doch was steckt hinter dieser Äußerung? Sie brauchen fachliche, methodische und soziale Kompetenzen. Sie müssen also in Ihrem Fach über eine solide Wissensbasis verfügen – sei es Ökonomie, Psychologie, Soziologie, Jura oder Informatik, Philosophie, Medizin, Naturwissenschaft oder Ingenieurwesen.
Sie brauchen Methodenkompetenzen wie Gesprächsführung, Moderation, Zeitmanagement, Projektmanagement, Controlling und vor allem die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Und Sie müssen mit sich selbst und anderen klarkommen. Ihre soziale Kompetenz entscheidet letztlich über Ihr Wohl und Wehe im Beruf. Zu sozialen Kompetenzen zählen Authentizität, Offenheit, Empathie, Loyalität, Flexibilität, Belastbarkeit, Ausdauer, Reflexionsfähigkeit, Kritikfähigkeit und Kreativität. Letztere gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Die eine kann gut in fünf Minuten technische Probleme im Content Management System (CMS) meines Internetauftritts so erklären, dass ich es verstehe und beim nächsten Mal verhindern oder selbst beheben kann. Der andere wiederum ist ein hervorragender Designer. Teamfähigkeit entwickelt sich aus sozialen und methodischen Kompetenzen und ist gleichzeitig ein wichtiges Element für das Erlernen und Vertiefen von Kompetenzen. Kernmerkmale hoher Teamfähigkeit sind reflektieren und konstruktiv positive wie negative Kritik üben und annehmen können. Dies können Sie, wie alle anderen Kompetenzen auch, trainieren.
Der erste Job
Es gibt die Großen, es gibt kleine, es gibt auf Branchen und Themen spezialisierte Unternehmen, und es gibt Freiberufler, die in einem Netzwerk mit Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Zum Einstieg empfehle ich die Arbeit in einer Unternehmensberatung oder – als interner Berater – in einer größeren Firma. Von den Großen können Sie lernen, was gute Beratung ausmacht – und schlechte. Darum ist es wichtig, sich vor einer Bewerbung mit den Werten und Zielen einer Firma auseinanderzusetzen (siehe oben). Ein großes Beratungsunternehmen oder eine Firma hat den Vorteil einer gewissen Sicherheit. Sie können mit den Themen und Aufgaben wachsen. Sie lernen und probieren aus, ohne unmittelbar die Zeche zahlen zu müssen, wenn Sie Fehler machen oder an einem Tag nicht ganz fit oder gar krank sind. Natürlich will Ihr Arbeitgeber auch etwas davon haben. Sie müssen also Wissen, Zeit und Energie mitbringen.
Glücklicherweise ist vielen Unternehmensführungen mittlerweile klar, dass Balance entscheidend für gute Arbeit ist – auch die von Arbeitszeit und Privatleben. Nur zufriedene und gesunde Mitarbeiter sind gute und damit für das Unternehmen mittel- und langfristig lohnende Mitarbeiter.
Wie finden Sie Ihren (ersten) Job? Hoffentlich gut. Zum einen sind da natürlich Ausschreibungen in Printmedien und auf Online-Plattformen. Zum anderen gibt es den persönlichen Faktor. Meinen Studenten empfehle ich: Seien Sie stets hellwach, vor allem auf Konferenzen, Feiern und Empfängen. Jederzeit könnten Sie jemandem über den Weg laufen, der jemanden wie Sie sucht oder jemanden kennt, der sucht. In einer solchen Situation kommt dann nicht etwa die Frage nach Ihrem Lebenslauf, sondern eher eine Art Test – zum Beispiel in Form eines ganz entspannten Gesprächs über Ihr Spezialgebiet.
Fazit
Die Arbeit als Berater, Consultant und auch als Coach ist einer der schönsten Berufe, die ich kenne. Wir werden dafür bezahlt, dass wir mit und von unseren Klienten lernen. Wir können immer wieder in verschiedene Gebiete eintauchen, neue und interessante Menschen kennenlernen und mit ihnen arbeiten. Unsere Aufgabe dabei ist es, fachlich, methodisch und sozial fit zu sein.
Dr. Christa Weßel ist Dozentin für Consulting und Wissenschaftliches Arbeiten in der Wirtschaftsinformatik und für Strategisches Management im Gesundheitswesen. Neben ihrer klinischen Arbeit ist sie vor allem auf den Gebieten Organisationsentwicklung und Organisationales Lernen mit dem Schwerpunkt prozessorientierte Unternehmenssteuerung als Beraterin und Coach aktiv. Ihr Buch „Basiswissen Consulting. Der Elch auf dem Tisch und andere Beratungskonzepte“ erschien 2013 im mitp Verlag.
Die Autorin bloggt regelmäßig auf ihrer Webseite christa-wessel.de